Le­bens­ver­si­che­rung widerrufen So fordern Sie Ihre Beiträge zurück

Das Wichtigste in Kürze

  • Wer zwischen dem 29. Juli 1994 und dem 31. Dezember 2007 eine Lebens- oder Ren­ten­ver­si­che­rung abgeschlossen hat, kann diese oft noch rückabwickeln.
  • Ein erfolgreicher Widerspruch oder Rücktritt führt zur Rückabwicklung. Versicherte bekommen die eingezahlten Beiträge zurück und erhalten auch noch Zinsen. Der Versicherer darf unter Umständen bestimmte Posten davon abziehen.
  • Haben Sie Ihren Vertrag bereits gekündigt und einen Rückkaufswert erhalten, können Sie noch immer widersprechen und die Rückabwicklung verlangen.

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Fast jeder deutsche Haushalt hat sie: eine Le­bens­ver­si­che­rung. Und das, obwohl die Renditeentwicklungen der meisten Le­bens­ver­si­che­rung­en weit hinter dem zurückbleiben, was dem Kunden beim Abschluss vorgerechnet wurde. Schuld daran sind die hohen Abschlusskosten und die schlechten Anlagerenditen, die viele Versicherer in den vergangenen Jahren erwirtschaftet haben.

Etwa die Hälfte der Lebens- und Ren­ten­ver­si­che­rungen halten die Kunden nicht bis zum vertraglich vorgesehenen Termin durch. Bisher gab es für unzufriedene Besitzer einer Le­bens­ver­si­che­rung nur die Möglichkeit zu kündigen, wovon wir wegen der hohen Abschläge aber abraten. Besser war es, die Le­bens­ver­si­che­rung zu verkaufen oder zu beleihen. Inzwischen gibt es eine weitere Möglichkeit: den nachträglichen Widerspruch, der dann zur Rückabwicklung des Vertrags führt.

Wie funktioniert der Widerrufsjoker bei Le­bens­ver­si­che­rung­en?

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in mehreren Urteilen entschieden, dass etliche Le­bens­ver­si­che­rungskunden ihren alten Verträgen noch widersprechen können. Hat die Ver­si­che­rung damals gar nicht oder fehlerhaft über das Wi­der­spruchs­recht belehrt, steht dem Versicherten auch heute oft dieses Recht noch zu. Es ist nicht, wie eigentlich gesetzlich vorgesehen, erloschen (Urteil vom 7. Mai 2014, Az. IV ZR 76/11, Urteile vom 29. Juli 2015, Az. IV ZR 384/14, IV ZR 448/14).

Besonders interessant für die Kunden: Bei einem Widerspruch muss der Versicherer regelmäßig wesentlich mehr zurückzahlen als im Fall einer Kündigung.

Welche Ver­si­che­rungs­ver­träge sind betroffen?

Laut Allianz können in Deutschland von den BGH-Urteilen bis zu 108 Millionen Ver­si­che­rungs­ver­träge betroffen sein. Für diese Verträge haben Ver­si­che­rungskunden Prämien von rund 400 Milliarden Euro gezahlt.

Es geht grundsätzlich um Verträge zu Lebens- und Ren­ten­ver­si­che­rungen, die zwischen dem 29. Juli 1994 und dem 31. Dezember 2007 nach dem sogenannten Policen-Modell abgeschlossen wurden. Das bedeutet: Hat der Versicherer vor oder bei der Antragstellung nicht bereits alle erforderlichen Verbraucherinformationen erteilt, liegt ein Vertragsschluss nach dem Policen-Modell vor. Der Versicherer hätte nach Vertragsschluss alle Unterlagen zusenden und ordnungsgemäß über das Wi­der­spruchs­recht belehren müssen, damit die Widerspruchsfrist zu laufen beginnt.

Lebens- und Ren­ten­ver­si­che­rungsverträge- Es spielt keine Rolle, ob es sich um einen fondsgebundenen Vertrag oder einen Vertrag ohne Fondsanlage handelt. Insbesondere auch Riester-Rentenversicherungen (auch Förderrenten genannt) und Rürup-Rentenversicherungen (auch Basisrentenversicherungen genannt) aus dem obigen Zeitraum fallen unter die Regelung.

Nicht betroffen sind dagegen beispielsweise Riester-Fondssparpläne oder Riester-Banksparpläne, da diese über eine Bank und nicht über eine Ver­si­che­rung laufen.

Be­rufs­un­fä­hig­keits­ver­si­che­rungen und Ri­si­ko­le­bens­ver­si­che­rungen- Bei diesen Verträgen dürfte ein Widerspruch nur in Ausnahmefällen infrage kommen. Zum einen stellen diese Ver­si­che­rungen in der Regel einen wichtigen Schutz dar, den Sie behalten sollten. Zum anderen werden nur geringe Beträge angespart. Wenn Sie aber der Meinung sind, dass Ihre Be­rufs­un­fä­hig­keits­ver­si­che­rung für Sie nachteilig oder ungeeignet ist und Sie vielleicht einen Neuvertrag zu besseren Bedingungen abschließen könnten, dann sollten Sie diese Möglichkeit prüfen. Gleiches gilt bei der Ri­si­ko­le­bens­ver­si­che­rung.

Laufende, gekündigte und abgelaufene Verträge- Sie können sowohl noch laufende Verträge, als auch bereits gekündigte oder regulär abgelaufene Ver­si­che­rungen durch einen Widerspruch rückabwickeln lassen.

Verträge nach dem Antragsmodell- Wenn Sie schon beim Antrag alle Ver­si­che­rungs­be­din­gungen und Verbraucherinformationen bekommen haben, haben Sie Ihren Vertrag nach dem sogenannten Antragsmodell abgeschlossen. Dabei gibt es statt eines Wi­der­spruchs­rechts ein Rücktrittsrecht. Rechtlich ist das etwas anderes, im Ergebnis sind Sie aber mit den anderen Ver­si­che­rungsnehmern gleichgestellt.

Auch von diesen Verträgen können viele Versicherte nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs noch heute zurücktreten. Entscheidend ist, ob der Versicherer unzureichend belehrt hat. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn die Belehrung drucktechnisch nicht hervorgehoben war. Wegen dieses Formmangels beginnt die Rücktrittsfrist von 30 Tagen nicht zu laufen (BGH, Urteil vom 17. Dezember 2014, Az. IV ZR 260/11, Urteil vom 25. Januar 2017, Az. IV ZR 173/15). Es besteht ein ewiges Rücktrittsrecht.

Tipp: Bei Lebens- und Ren­ten­ver­si­che­rungen aus den Jahren zwischen 1994 und 2007 gab es außerdem teils unwirksame Klauseln zur Berechnung des Rückkaufswerts. Wer seine Police gekündigt oder beitragsfrei gestellt hat, kann unter Umständen Geld nachfordern.

Wie viel Geld gibt es bei der Rückabwicklung der Ver­si­che­rung?

Sofern Sie Ihrem Vertrag erfolgreich widersprechen, erhalten Sie Ihre eingezahlten Beiträge zurück. Zusätzlich können Sie verlangen, dass der Versicherer als Nutzungsersatz Zinsen zahlt. Das bedeutet, dass er das, was er mit Ihren Beiträgen erwirtschaftet hat, erstatten muss. Das ist sogar meist der größte Anteil in solchen Fällen.

Allerdings müssen Sie nach der Rechtsprechung beweisen, dass die Ver­si­che­rung tatsächlich das Kapital genutzt hat. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs kann jedenfalls nicht vermutet werden, dass ein Versicherer einen Gewinn in Höhe des gesetzlichen Verzugszinses erzielt hat (BGH, Urteil vom 11. November 2015, Az. 513/14). Sie können damit nicht einfach 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz verlangen (§ 288 BGB).

Auf den Risikoanteil und die Abschluss- und Verwaltungskosten muss die Ver­si­che­rung keinen Nutzungsersatz erstatten (BGH, Urteil vom 10. Februar 2016, Az. IV ZR 19/15). Bei den Verwaltungskosten kann das anders sein, falls Ihnen der Nachweis gelingt, dass der Versicherer daraus tatsächlich Nutzen gezogen hat.

Das Oberlandesgericht Stuttgart hat in einem Fall auf die Geschäftsberichte der relevanten Jahre abgestellt und einen durchschnittlichen Zinssatz von 4,02 Prozent angenommen. Bei einem zu erstattenden Betrag von rund 16.000 Euro schätzte das Gericht den Nutzungsersatz auf 3.500 Euro (Urteil vom 23. Oktober 2014, Az. 7 U 54/14).

Kostenlose Online-Rechner nutzen

Um einen ersten Eindruck davon zu bekommen, was Sie im Fall eines Widerspruchs oder Rücktritts zurückbekommen, können Sie Online-Rechner nutzen. Wir haben den Rückabwicklungswert eines konkreten Le­bens­ver­si­che­rungsvertrags aus dem Jahr 2004 mit sechs verschiedenen Rechnern der im Folgenden genannten Anbieter berechnet. Die Spanne zwischen dem niedrigsten Ergebnis und dem höchsten Wert reichte von 20.100 Euro bis 23.400 Euro. Der Unterschied belief sich also auf etwa 3.300 Euro.

Verbraucherzentrale Hamburg: Sie müssen zwölf Fragen zu Ihrem Vertrag beantworten, um Ihren voraussichtlichen Rückzahlungsanspruch zu ermitteln. Können Sie eine Frage nicht beantworten, fehlen Ihnen Unterlagen oder sind Sie unsicher, bekommen Sie kein Ergebnis. Der entsprechende Rückkaufswert wird nicht abgefragt. In unserer konkreten Fall-Abfrage ergab der Rechner einen Rückabwicklungsanspruch von 21.500 Euro. Mit diesem Wert vergleicht das Tool aber weder den Rückkaufswert noch die eingezahlten Beiträge. Das würde aber verdeutlichen, was Sie bei einem Widerspruch tatsächlich rausholen könnten.

Gansel Rechtsanwälte: Je genauer Sie die Vertragsdetails angeben, desto genauer ist das Ergebnis. Sie können aber auch den Rückabwicklungswert berechnen lassen, falls Sie bestimmte Informationen gerade nicht zur Hand haben. Auf der einen Seite ermöglicht das auch Interessierten, ohne alle Angaben ein Ergebnis zu bekommen; auf der anderen Seite kann dadurch das Ergebnis ungenau und vielleicht irreführend sein.

Der Rechner differenziert nicht nach einzelnen Ver­si­che­rungs­ge­sell­schaften. Sie bekommen eine Spanne angezeigt, wie viel Euro Sie mindestens und wie viel höchstens erzielen können. Bei der Eingabe unseres Beispiels errechnete der Gansel-Rechner die bisher eingezahlte Summe sowie einen Rückabwicklungsanspruch zwischen 20.100 Euro und 22.500 Euro.

Rechtsanwaltskanzlei Kraus Ghendler Ruvinskij: Dort können Sie derzeit für 22 Versicherer den Rückabwicklungswert berechnen lassen. Bei diesen Unternehmen greift die Kanzlei auf die Nettorenditen aus den Geschäftsberichten der jeweiligen Jahre zurück. Der Rechner fragt weder nach einer zusätzlichen Absicherung einer Be­rufs­un­fä­hig­keit (BU-Zusatzversicherung) noch nach einem Todesfallschutz. Das Tool berechnete für unser Beispiel einen Wert von rund 9.200 Euro zusätzlich zum Rückkaufswert, den wir eingegeben hatten. Addiert man diesen Betrag hinzu, ergibt sich ein Rückabwicklungswert von 23.400 Euro.

Dr. Lehnen & Sinnig Rechtsanwälte: Der Rechner gibt eher einen groben Überblick, da er mit einer allgemeinen Durchschnittsverzinsung arbeitet. Zwischen den einzelnen Versicherern differenziert der Rechner nicht. Nach einer zusätzlichen Absicherung der Be­rufs­un­fä­hig­keit fragt er nicht. Der Rechner ermittelte einen Rückabwicklungsanspruch von 22.800 Euro.

Von Rüden Rechtsanwälte: Nach der Beantwortung von zwölf Fragen bekommt der Nutzer einen ungefähren Rückabwicklungswert. In unserer konkreten Fall-Abfrage ermittelte der Rechner einen Rückabwicklungsanspruch von circa 21.500 Euro. Mit diesem Wert vergleicht das Tool aber keinen Rückkaufswert und auch nicht die eingezahlten Beiträge. Das würde aber verdeutlichen, was Sie bei einem Widerspruch tatsächlich rausholen könnten.

Hahn Rechtsanwälte:Der Rechner gilt für alle Ver­si­che­rungs­ge­sell­schaften und differenziert danach, ob eine BU-Zusatzversicherung enthalten ist. Er rechnet mit dem Durchschnittszinssatz des Ver­si­che­rungsverbandes GDV. Bei der Eingabe unseres Beispiels ermittelte der Rechner einen voraussichtlichen Rückabwicklungsanspruch von 23.050 Euro.

Ohne die Eingabe von Kontaktdaten erhalten Sie allerdings kein Ergebnis. Dazu müssen Sie Ihre E-Mail-Adresse angeben und bekommen dann per Mail innerhalb von zwei Minuten das Ergebnis der Berechnung. Der Rechner ermittelt weder die eingezahlten Beiträge noch vergleicht er den Rückkaufswert mit dem Rückabwicklungsanspruch.

Zulässige und unzulässige Abzüge bei der Rückabwicklung

 Das darf der Versicherer abziehen
RückkaufswertVon den geleisteten Beiträgen darf die Ver­si­che­rung einen bereits gezahlten Rückkaufswert abziehen, sofern der Versicherte den Vertrag bereits beendet hatte.
RisikoanteileDer Versicherer darf die sogenannten Risikoanteile abziehen. Das sind die Kosten, die für den Ver­si­che­rungs­schutz anfallen, den Sie während der Laufzeit des Vertrags hatten. Das kann ein Todesfallschutz und ein Schutz bei Be­rufs­un­fä­hig­keit sein.
SteuernAls Vermögensvorteil darf die Ver­si­che­rung die abgeführte Kapitalertragssteuer nebst Solidaritätszuschlag als Vermögensvorteil gegenrechnen.
Fondsverluste

Der Versicherer darf sie bei einer fondsgebundenen Le­bens­ver­si­che­rung anrechnen, falls die Fonds Verluste erwirtschaftet haben (BGH, 11. November 2015, Az. ZR 513/14).


Nach einem anderen Urteil darf der Versicherer nur Fondsverluste im Bagatellbereich abziehen (LG Gießen, 14. März 2017, Az. 2 O 450/16, nicht rechtskräftig).

 

Das darf der Versicherer nicht abziehen

AbschlusskostenAbschlusskosten darf der Versicherer bei einem Widerspruch nicht abziehen (BGH, Urteil vom 29. Juli 2015, Az. IV ZR 448/14).
VerwaltungskostenVerwaltungskosten muss der Versicherer erstatten (BGH, Urteil vom 29. Juli 2015, Az. IV ZR 448/14).
RatenzahlungszuschlagAuch ihn darf der Versicherer im Falle eines wirksamen Widerspruchs nicht auf den Kunden umlegen.

Quelle: Finanztip-Recherche (Stand: Juli 2018)

Wie viel tatsächlich für Sie bei einem Widerspruch herauskommt, hängt von Ihrem Vertrag ab. Als Beispiel haben wir einen konkreten Fall dargestellt, den der Bundesgerichtshof so entschieden hat.

Beispiel für Rückabwicklung einer Le­bens­ver­si­che­rung mit BU-Anteil

Prämienzahlungen33.841,79 €
abzgl. ausgezahlter Betrag21.588,70 €
abzgl. Risikoanteil BU3.609,16 €
abzgl. Risikoanteil Todesfall1.816,46 €
zu erstattende Summe6.827,47 €
zzgl. Nutzungsersatz1.668,15 €

Quelle: BGH (Urteil vom 29. Juli 2015, Az. IV ZR 384/14, Vorinstanz OLG Köln, Urteil vom 5. September 2014, Az. 20 U 77/14)

Wann lohnt sich der Widerspruch?

Ob sich der Widerspruch lohnt, lässt sich nicht pauschal beantworten. Es gibt aber ein paar grundsätzliche Aspekte.

Je jünger der Vertrag ist, desto eher lohnt sich ein Widerspruch

Dies betrifft vor allem die Verträge aus den Jahren 2005 bis 2007. Denn diese Verträge haben zum einen nicht mehr das Privileg, in der Auszahlung steuerfrei zu sein. Zum anderen liegt die Anfangsphase, in der die Abschlusskosten abgezogen wurden, noch nicht so lange zurück. Daher ist in den vielen Fällen der aktuelle Vertragswert niedriger als die eingezahlten Beiträge, selbst wenn man die Risikobeiträge für den Ver­si­che­rungs­schutz berücksichtigt. Aber auch die zahlreichen 2004 mit dem Steuervorteil abgeschlossenen Lebens- und Ren­ten­ver­si­che­rungen leiden meist noch unter den abgezogenen Abschlusskosten.

Bei einem Riester-Vertrag kommt es auf den aktuellen Vertragswert an

Falls Sie einen Riester-Vertrag rückabwickeln lassen, werden der Police sowohl die Zulagen als auch die Steuerrückzahlungen abgezogen, die Sie über die Jahre erhalten haben. Sie müssen also aufpassen, wenn Sie den aktuellen Vertragswert mit den eingezahlten Beiträgen vergleichen. Dennoch kann es sich unter Umständen auch bei einer Riester-Rentenversicherung lohnen, für diese nachträglich einen Widerspruch durchzusetzen. Denn auch dabei sind in der Regel hohe Abschlusskosten angefallen.

Bei älteren Verträgen ist Vorsicht geboten

Gerade bei Verträgen aus den 1990er Jahren sollten Sie vorsichtig mit einem Widerspruch sein. Oft haben sich diese Verträge trotz der hohen Abschlusskosten schon vernünftig entwickelt. Zudem genießen sie das Privileg einer steuerfreien Auszahlung, das es heute nicht mehr gibt. Klassische Ka­pi­tal­le­bens­ver­si­che­rungen aus dieser Zeit haben außerdem eine hohe Verzinsung im Vergleich zu heute.

Der Widerspruch lohnt besonders bei geringem Risikoanteil

Je weniger zusätzlichen Ver­si­che­rungs­schutz Sie vereinbart haben, desto eher lohnt sich der Widerspruch. Das gilt etwa, wenn Sie eine niedrige oder gar keine Todesfallsumme in Ihrer Police haben und keinen Be­rufs­un­fä­hig­keits- oder Unfallschutz.

Überlegen Sie genau bei einem Be­rufs­un­fä­hig­keits-Zusatz

Ganz vorsichtig sollten Sie sein, wenn Ihr Vertrag mit einer echten Be­rufs­un­fä­hig­keits-Zusatzversicherung kombiniert ist, Sie also im Falle einer Be­rufs­un­fä­hig­keit eine monatliche Rente ausbezahlt bekommen. Wie schon oben angesprochen, ist diese Zusatzversicherung wahrscheinlich wichtig für Sie. Sie sollten nur in Ausnahmefällen widersprechen. In vielen Fällen ist es besser, den Beitrag zur Hauptversicherung, also den Sparanteil, zu reduzieren.

Wie komme ich aus meinem Vertrag heraus?

Am besten gehen Sie nach den folgenden vier Schritten vor.

Schritt 1: Belehrung überprüfen lassen

Lassen Sie Ihren Vertrag überprüfen. Sie können sich an spezialisierte Anwälte wenden, die eine kostenlose Ersteinschätzung anbieten. Wir empfehlen die Kanzleien Mayer & Mayer Rechtsanwälte, Justus Rechtsanwälte,  Gansel Rechtsanwälte, Von Rüden, Bornemann-von Loeben, Witt Rechtsanwälte, Sommerberg LLP, Hahn Rechtsanwälte, Dr. Stoll & Sauer, Decker & Böse und Kraus Ghendler Ruvinskij. Eine andere Variante ist die Verbraucherzentrale Hamburg, die für das Überprüfen der Unterlagen 85 Euro verlangt.

Schritt 2: Rückabwicklung berechnen und bewerten lassen

Sie sollten genau durchrechnen und bewerten lassen, ob sich bei Ihrem Vertrag ein Widerspruch lohnt. Die Bewertung ist nicht ganz leicht. Es gibt einige Rechner, mit denen Sie sich einen ersten Überblick über einen Rückabwicklungswert verschaffen können.

Schritt 3: Widerspruch erklären

Lohnt sich der Widerspruch bei Ihrem Vertrag, sollten Sie widersprechen. Sie können dazu unseren Musterwiderspruch verwenden. Sie sollten ihn als Einwurf-Einschreiben versenden, damit Sie einen Beweis in der Hand halten, dass Sie widersprochen haben.

Schritt 4: Ombudsmann oder Anwalt einschalten

Rechnen Sie damit, dass der Versicherer nicht klein beigibt. Die Marktwächter der Verbraucherzentralen haben festgestellt, dass viele Ver­si­che­rungs­un­ter­neh­men die Rechtslage ignorieren und die Rückabwicklung ablehnen.

Sie können sich kostenlos an den Ver­si­che­rungs­om­buds­mann wenden und überprüfen lassen, ob der Versicherer zu Unrecht Ihren Widerspruch abgelehnt hat. Die Schlichtungsstelle hat bereits viele Beschwerden zugunsten von Verbrauchern entschieden.

Sollten Sie auf Granit beißen, können Sie Ihren Anspruch von einem Fachanwalt für Ver­si­che­rungsrecht durchsetzen lassen. Entweder es gelingt dem Anwalt, sich gütlich mit dem Versicherer zu einigen, oder Sie ziehen vor Gericht. Sofern Sie eine Rechts­schutz­ver­si­che­rung haben, sollten Sie abklären, ob sie die Kosten einer Klage übernimmt.

Welche Anwälte sind spezialisiert auf den Widerrufsjoker?

Die folgenden Kanzleien haben bereits mindestens ein Urteil gegen eine Ver­si­che­rung auf Rückabwicklung des Vertrages erstritten oder mindestens zehn außergerichtliche Einigungen erzielt. Allerdings zahlen Versicherer oft auch nach anwaltlicher Aufforderung ohne Vergleich. Derzeit bieten alle genannten Rechtsanwälte eine kostenlose Erstberatung. Warum wir diese Experten empfehlen und wie wir sie ausgewählt haben, lesen Sie am Ende dieses Artikels.

Der rechtliche Hintergrund

Bei Lebens- und Ren­ten­ver­si­che­rungen, die Kunden zwischen dem 29. Juli 1994 und dem 31. Dezember 2007 abgeschlossen haben, gab es eine Besonderheit: Ein Vertrag galt auch dann als abgeschlossen, wenn der Versicherer dem Ver­si­che­rungsnehmer den Ver­si­che­rungsschein, die Allgemeinen Ver­si­che­rungs­be­din­gungen (AVB) oder eine Verbraucherinformation erst übersandte, nachdem der Kunde den Antrag gestellt hatte.

Der Versicherte hatte dann ein Wi­der­spruchs­recht von 14 Tagen; bei Le­bens­ver­si­che­rung­en betrug die Widerspruchsfrist ab dem 8. Dezember 2004 sogar 30 Tage. Sie begann jedoch erst, wenn dem Versicherten die Vertragsunterlagen vollständig vorlagen und er bei Aushändigung des Ver­si­che­rungsscheins schriftlich und deutlich über das Wi­der­spruchs­recht, den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden war.

Auch wenn der Versicherer nicht oder nicht ordentlich belehrt hatte, erlosch das Wi­der­spruchs­recht ein Jahr nach Zahlung der ersten Ver­si­che­rungsprämie (§ 5a Absatz 2 Satz 4 VVG a.F.). Diese Jahresfrist gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht mehr. Der Versicherte hat ein sogenanntes ewiges Wi­der­spruchs­recht, sofern ihn der Versicherer nicht ordentlich belehrt hat.

Die Chancen für Ver­si­che­rungsnehmer stehen gut, denn nach einer Erhebung der Verbraucherzentrale Hamburg sind mehr als 60 Prozent der Widerspruchsbelehrungen aus dieser Zeit fehlerhaft und damit unwirksam.

Typische Fehler in den Widerspruchsbelehrungen

Dass der Versicherer tatsächlich vergessen hat, Ihnen eine Widerspruchsbelehrung zuzuschicken, ist ziemlich unwahrscheinlich. Aber der Blick in die Unterlagen kann sich trotzdem lohnen. Im Übrigen steht der Versicherer in der Beweislast: Wenn Sie der Meinung sind, keine Widerspruchsbelehrung bekommen zu haben, muss der Versicherer nachweisen, dass das doch der Fall war.

Wahrscheinlicher ist, dass die Ihnen zugeschickte Widerspruchsbelehrung nicht korrekt formuliert ist und einen der folgenden Fehler enthält:

  • In der Widerspruchsbelehrung steht nicht, dass es ausreicht, den Widerspruch innerhalb der 30-Tage-Frist (14 Tage bei Verträgen mit Abschlussdatum vor dem 8. Dezember 2004) abzusenden. Der Widerspruch muss nämlich nicht innerhalb der Frist beim Versicherer eingehen, sondern nur rechtzeitig abgesendet werden.
  • Sofern der Vertrag 2002 oder später abgeschlossen wurde, muss in der Widerspruchsbelehrung ausdrücklich auf die Textform, nicht auf die Schriftform des Widerspruchs hingewiesen werden. Das bedeutet, dass seit 2002 auch eine E-Mail als Widerspruch ausreicht (BGH, Urteil vom 14. Oktober 2015, Az. IV ZR 211/14).
  • Die Widerspruchsbelehrung muss sich deutlich vom übrigen Text abheben und darf nicht ohne Hervorhebung in den Ver­si­che­rungs­be­din­gungen stehen (BGH, Urteil vom 24. Februar 2016, Az. IV ZR 512/14).

Wenn Sie einen solchen Fehler in der Widerspruchsbelehrung finden, haben Sie gute Chancen, den Vertrag rückabwickeln zu können.

Was bieten Rechtsdienstleister in Bezug auf den Widerrufsjoker?

Es gibt zwei Arten von Dienstleistern, die sich auf den Widerspruch von Le­bens­ver­si­che­rung­en spezialisiert haben: einerseits die klassischen Ver­si­che­rungsberater, die außergerichtlich Rechtsdienstleistungen erbringen dürfen, und andererseits weitere Dienstleister.

Ver­si­che­rungsberater dürfen außergerichtlich die Rechte von Ver­si­che­rungsnehmern bei der Rückabwicklung von Le­bens­ver­si­che­rung­en vertreten. Dabei müssen sie wie Rechtsanwälte nach dem Rechts­an­walts­ver­gü­tungs­ge­setz abrechnen. Der folgende Ver­si­che­rungsberater verfügt über viel Erfahrung und ist eine empfehlenswerte Alternative zu einem Rechtsanwalt.

Aber auch andere Dienstleister tummeln sich auf diesem Feld. Die Marktwächter Finanzen von den Verbraucherzentralen warnen vor Dienstleistern, die Unterstützung bei der Rückabwicklung von Lebens- und Ren­ten­ver­si­che­rungsverträgen anbieten. Die Hilfestellung sei zu teuer und bringe keinen zusätzlichen Nutzen.

Finanztip hat sich einige dieser Dienstleister näher angesehen. Wir haben dazu vier Unternehmen angeschrieben und ihnen einen entsprechenden Fragebogen zugesandt: Facto Financial Services, Revokat, SMWB Strategien mit Weitblick, Helpcheck und Claimright. Zwei Dienstleister haben uns geantwortet, einer davon bietet seinen Service allerdings nicht mehr an.

Helpcheck

Das Unternehmen aus Düsseldorf bietet sowohl einen kostenlosen als auch einen kostenpflichtigen Servicevertrag an. Im ersten Schritt können Interessierte ihre Unterlagen prüfen lassen. Nach Durchsicht der Unterlagen teilt der Dienstleister mit, ob er die Möglichkeit hat, den Vertrag rückabzuwickeln und welche Erfolgsaussichten bestehen. Das ist praktisch und eine kostenlose Dienstleistung von Helpcheck.

Wer seine Rechte gegenüber der Ver­si­che­rung durchsetzen will, kann Helpcheck in einem weiteren Schritt kostenpflichtig beauftragen, die Forderungshöhe mit Nutzungsersatz zu berechnen und sich um die gesamte Kommunikation mit dem kooperierenden Anwalt zu kümmern. Der übernimmt allerdings grundsätzlich nur dann, wenn Sie eine Rechts­schutz­ver­si­che­rung haben, die den strittigen Fall auch abdeckt. Bei Erfolg verbleiben 25 Prozent zuzüglich Mehrwertsteuer von der Differenz zwischen dem von der Ver­si­che­rung errechneten Rückkaufswert und der dann tatsächlich anerkannten Forderung bei Helpcheck.

Beispiel: Der Rückkaufswert beläuft sich auf 28.000 Euro. Die nach Beauftragung von Helpcheck und einem Anwalt erstrittene Summe beträgt 51.000 Euro. Helpcheck verlangt in diesem Fall 29,75 Prozent inklusive Mehrwertsteuer von der Differenz, also von 23.000 Euro. Helpcheck bekommt dann also insgesamt 6.842,50 Euro.

Haben Sie keinen Rechtsschutz, entscheidet der Dienstleister, ob er ein weiteres Vorgehen ohne zusätzliche Kosten anbietet. Ist der Anwalt dann erfolgreich, behält Helpcheck ebenfalls ein Viertel der erstrittenen Summe zuzüglich Mehrwertsteuer ein.

Auch andere Rechtsdienstleister, etwa die Fluggasthelferportale, arbeiten mit einer ähnlichen erfolgsabhängigen Vergütung. Gerade für jemanden ohne Rechts­schutz­ver­si­che­rung kann das eine gute Sache sein, da auf ihn auch dann keine Gerichts- und Anwaltskosten zukommen, wenn der Fall etwa vor Gericht verloren geht. Wer eine Rechts­schutz­ver­si­che­rung hat, für den übernimmt die Ver­si­che­rung die Prozesskosten, falls der Anwalt verliert.

Die Dienstleistung von Helpcheck bieten auch spezialisierte Anwälte, allerdings ohne dass Sie einen Teil der Rückabwicklungssumme abgeben müssten. Haben Sie eine Rechts­schutz­ver­si­che­rung, können Sie sich daher die Service-Gebühr sparen und sich gleich an einen spezialisierten Anwalt wenden, der die genaue Forderungshöhe selbst berechnet oder einen Sachverständigen damit beauftragt.

So haben wir die Rechtsanwälte ausgewählt

Wir haben mehr als 20 Rechtsanwaltskanzleien zum Thema „fehlerhafte Widerspruchsbelehrung bei Lebens- und Ren­ten­ver­si­che­rungsverträgen“ angeschrieben, die auf diesen Bereich spezialisiert sind und erfolgreich Mandanten außergerichtlich oder gerichtlich gegenüber einer Ver­si­che­rung vertreten haben. Dabei haben wir uns auf die Kanzleien beschränkt, die wir bei einer Google-Suche am 10. Juni 2016 auf den ersten drei Seiten zu den Begriffen „Widerspruch Le­bens­ver­si­che­rung Rechtsanwalt“ gefunden haben oder die sich im Vorfeld schon an uns gewandt hatten.

Zur Prüfung schickten wir den Kanzleien einen Fragebogen mit Fragen zu den Kosten und zur Form der Erstberatung. Wir haben uns nach erstrittenen Urteilen und abgeschlossenen Vergleichen erkundigt. Im April und Juli 2017 werteten wir weitere Fragebögen aus, die uns Rechtsanwälte oder Ver­si­che­rungsberater mit zeitlichem Abstand nach der ersten Untersuchung übermittelt hatten.

Wir aktualisieren die Angaben zu den emp­foh­lenen Kanzleien fortlaufend, sobald uns die Anwälte neue Vergleiche oder Urteile melden, zuletzt im Januar 2019.

Über die tatsächliche Beratungsqualität können wir keine Aussage treffen, da wir sie nicht überprüfen können. Voraussetzung für unsere Emp­feh­lung ist vielmehr grundsätzlich, dass die Kanzlei mindestens ein Urteil oder zehn Vergleiche vorweisen kann. Für den Verbraucher positiv ist aus unserer Sicht, wenn er eine kostenlose Ersteinschätzung bekommt. Dies ist derzeit bei fast allen Anwälten aus unserer Emp­feh­lungsliste der Fall.

Unter den Kanzleien, die eine kostenlose Erstberatung anbieten, stehen diejenigen ganz oben, die auch Prozesserfahrung haben und bereits ein erfolgreiches Urteil vorweisen können. Darauf folgen in absteigender Reihenfolge weitere Kanzleien entsprechend der Anzahl der für Verbraucher erfolgreichen Vergleiche. Auch wenn sich daraus keine Erkenntnis über die tatsächliche Qualität der Beratung ableiten lässt, bewerten wir es als positiv, sofern sich der bearbeitende Jurist als Fachanwalt auf Ver­si­che­rungsrecht spezialisiert hat.

Die Untersuchungen sind abgeschlossen. Weitere Anwaltskanzleien können wir aktuell nicht berücksichtigen.

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Autoren
Annika Krempel
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